lieBenzeller missiOn aktuell missiOn weltweit 1–2/2023 19 weiterdenken >> sOnderBeitrag zum thema vOn dr. christOph schrOdt Foto: istocKPhoto/aJr_imaGes keit. Sie ist nicht Berufung zu einem konkreten Tun, sondern das, was allem menschlichen Tun erst Sinn und Grund verleiht. Doch die Schöpfungsgeschichte macht zugleich deutlich, dass die Bestimmung menschlichen Lebens auch verfehlt werden kann. Menschen fassen ihr Leben als selbstzwecklich auf und verstehen sich selbst als Grund und Inhalt ihres Lebens. Sie verstehen sich nicht mehr vom „Wort“ her, sondern ihre Welt wird stumm, sie leben nur in ihren eigenen Echokammern. Solcherart gerät das Leben zu einem einzigen Versuch, selbst den Sinn für das eigene Leben zu generieren und seine Existenz vor sich selbst und anderen zu rechtfertigen. Berufen durch das evangelium Wie menschliches Leben unter einer Grundberufung steht, so steht es zugleich unter einer Grundverfehlung. Deshalb wurde „das Wort“ Fleisch, wurde Gott Mensch, um uns zurückzurufen in die Gemeinschaft mit und das Gegenüber zu Gott. Wo Menschen Jesus Christus begegnet sind, haben sie die „Stimme Gottes“ gehört, des guten Hirten, der die verlorenen Schafe ruft. Dieser Ruf ist ein Ruf in die Freiheit – und zugleich in die eigentliche Bestimmung unseres Lebens. „Herr, wohin sonst sollten wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens!“ (Johannes 6,68). Wo Menschen Jesus begegnet sind, wurden sie gelöst von ihrer Selbstverkrümmung, ihrer Lebenstaubheit und ihrer Blindheit für das Angesicht Gottes. Das Evangelium ist deshalb ein Ruf zurück zu unserer eigentlichen Bestimmung. Martin Luther hat es in seiner Erklärung zum 3. Artikel des Glaubensbekenntnisses in seinem „Kleinen Katechismus“ unübertroffen so ausgedrückt: „Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten ...“ Das eigentliche Wunder der Berufung liegt also darin, dass Menschen im Evangelium den Anruf Gottes hören und sich in Liebe angenommen und gerechtfertigt wissen. Das können wir nicht selbst machen, das verdankt sich demWirken des Heiligen Geistes. Mit anderen Worten: Die entscheidende Berufung haben Christen durch das Evangelium in der Kraft des Heiligen Geistes schon erfahren. Eine größere Berufung gibt es nicht. Durch diese Berufung erhält das Leben – und zwar alles, was dieses Leben beinhaltet! – seinen Glanz und seine Würde zurück. Ob ich Kartoffeln pflanze, Computer repariere, Brücken baue, Kinder stille, Fußböden schrubbe, Jungschar halte oder predige – das ganze Leben steht unter dem Wohlgefallen Gottes, strahlt seine Liebe und Wertschätzung wider. „Papa, schau mal!“, „Mama, darf ich ...?“ Christsein ist die Berufung zu einem Leben als Gotteskind in der Gegenwart Gottes. Und alles, was ich tue oder lasse, beginnt zu leuchten durch diese Gegenwart. wachsende Gewissheiten Reicht das? Ja und nein! Ja – denn mehr brauchen wir zum Leben und Sterben nicht. Etwas Höheres und Schöneres kann von einem Leben nicht gesagt werden. Unsere tiefste Berufung besteht nicht darin, auf einer Kanzel zu stehen oder als Missionarin ins Ausland zu gehen, sondern „mit unverdecktem Angesicht“ vor Gott zu stehen und durch den Geist der Freiheit ein Leben in Freiheit zu führen (2. Korinther 3,18). wenn es konkret um unseren Platz und um erfüllende aufgaben im leben geht, dann wird auch deutlich, dass es meistens nicht nur „die“ eine Berufung gibt.
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