papua-neuguinea darum gehts 15 mission weltweit 11–12/2023 Ich werde nie vergessen, wie Gerhard und ich das erste Mal in unserer Ehe gestritten hatten. Es war um eine Kleinigkeit gegangen. Aber wie das so ist: Ein Wort gab das andere, bis wir nicht mehr miteinander redeten. In dieser Verfassung gingen wir in eine Veranstaltung. Ich setzte mich ganz hinten in den Raum. Bevor Gerhard zu predigen anfing, sagte er plötzlich zu den Gottesdienstbesuchern: „Bevor ich jetzt anfange, muss ich mich bei meiner Frau entschuldigen.“ Er kam den langen Gang auf mich zu. Ich wäre am liebsten im Boden versunken. Dieses Erlebnis war uns eine Lehre. Wir beschlossen, uns immer gleich zu entschuldigen, wenn wir uns verletzt hatten und befolgten fortan das Prinzip von Epheser 4,26b: „Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen.“ Öfter baten wir uns nach der gemeinsamen Bibellese gegenseitig um Vergebung, wenn wir lieblos miteinander umgegangen waren. So auch am Todestag von Gerhard, als wir einander unsere Wertschätzung zusprachen. Welch ein Trost für mich im Nachhinein. Leider ist das in Papua-Neuguinea ganz anders. Wie viele Frauen behandelte ich auf der Krankenstation, weil sie von ihren Ehemännern aufs Übelste zugerichtet worden waren! Auch in der Seelsorge ergriff mich oft herzliches Erbarmen, wenn ich hörte, was sie erdulden mussten. Nie wurden sie von den Männern um Verzeihung gebeten. Es war sehr schwer, den Frauen zu erklären, dass Jesus zur Vergebung auffordert: „Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben.“ (Matthäus 6,14). nach Gerhards tod setzte mir Stanley sehr zu Sein Vater hatte ein Grundstück an die einheimische Kirche verkauft. Jetzt forderte er als Ältester der Geschwister eine sehr hohe Nachzahlung. Die Kirche konnte sie unmöglich aufbringen, und es kam zu handgreiflichen Auseinandersetzungen und Bedrohungen. Stanley kontrollierte die Station, verhinderte den Bibelschulunterricht und brachte am Tor ein Schloss an, sodass ich nicht mehr vom Gelände konnte. In mir kochte es: Welch eine Unverschämtheit! Nachts konnte ich nicht mehr schlafen. Das Ganze war sehr kräftezehrend. Doch am Tag vor meinem damaligen Rückflug nach Deutschland geschah ein Wunder: Stanley kam, bat mich um Verzeihung und versprach, ein Schwein zu schlachten. Eine mündliche Vergebung allein ist hierzulande nicht aussagekräftig genug. Da muss schon ein Schwein herhalten (was dann auch passiert ist!). Als Stanley vor mir stand, wusste ich, dass ich ihm vergeben muss, obwohl mir dies nicht leichtfiel. Aber Gott half auch dabei. Es waren meine schönsten Erlebnisse in den 35 Jahren, wenn ich Frauen die Vergebung ihrer Schuld zusprechen durfte: „Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei“ (Johannes 8,36). Oft fragten sie: „Vergibt er wirklich?“ Aber ich werde nie ihre Gesichter vergessen, wenn die Zweifel und die Angst wichen und Friede in ihr Herz einzog. Es überwältigte mich immer wieder, wie sie Vergebung praktizierten. Welch ein Vorrecht, dass wir unseren Herrn Jesus Christus haben, der auch uns vergibt. Brigitte Stamm l Wie auch wir vergeben unsern schuldigern Jeden sonntag bitten wir im gottesdienst im Vaterunser: „und vergib uns unsere schuld, wie auch wir vergeben unsern schuldigern“. das ist so leicht gesagt. doch wenn es darauf ankommt, fällt es uns sehr schwer. Die Freude war groß, wenn Brigitte die Frauen in abgelegenen Dörfern besuchte So ist Vergebung … Einer der Männer ist Stanley Foto: elke weissschuh Foto: brigitte stamm Brigitte Stamm hat sich im august 2023 nach 35-jährigem missionseinsatz von papua-neuguinea verabschiedet. ihr mann gerhard starb dort im juli 2019 an den Folgen eines sturzes. beide unterrichteten an bibelschulen, besuchten menschen in abgelegenen gebieten, unterstützten pastoren und gemeindeleiter und gaben jung und alt lebenshilfe. als krankenschwester versorgt brigitte künftig pflegebedürftige schwestern im Feierabendhaus der liebenzeller mission in teilzeit.
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