liebenzeller mission aktuell mission weltweit 11–12/2023 19 weiterdenken >> sonderbeitrag zum thema von johannes luithle 1. Sich verheben beim Aufheben Wer schon einmal umgezogen ist, weiß, dass für den Transport von Möbeln besondere Kräfte nötig sind. Dies gilt vor allem für ein Möbelstück, bei dem wir alle geneigt sind, uns zu verheben: dem Klavier. Dieses Instrument ist zu schwer, als dass es einer alleine transportieren oder bewegen könnte. Solange das Klavier steht, macht das Gewicht niemandem etwas aus. Wenn es aber aufgehoben werden muss, wird dem Träger sehr schnell bewusst, wie unerträglich schwer das Tasteninstrument ist. Das Leben von uns Menschen ist gefüllt mit Lasten. Nicht immer nehmen wir diese Lasten umfassend wahr. Sobald aber Gott in unser Leben eintritt, geht ein Licht an, das unsere Lebensräume durchleuchtet. Auf einmal erkennen wir, dass hier vieles nicht am richtigen Platz steht und weggeräumt werden muss. Wir wollen anpacken und merken, dass wir es gar nicht selbst erledigen können. Wir verheben uns, wenn wir die Altlasten alleine entsorgen wollen. Und das sind dann eben nicht wohltemperierte Klaviere, sondern kaltblütige Schulden. Wenn Gott uns den Spiegel vorhält, kommen wir zu der unbequemen Erkenntnis: Wir sind schuldig. Trotz all unserer Bemühungen können wir unsere Schuld nicht alleine aufheben und wegtragen. In einem Gleichnis zeigt Jesus anschaulich auf, dass der Knecht eines Königs seine großen Schulden nicht begleichen kann. Deshalb muss er ins Gefängnis und seine Schuld absitzen (vgl. Matthäus 18,23ff). 2. Aufheben und wegtragen Wenn also das Aufheben und Selbertragen nicht geht, muss ein Stärkerer her. Einer, der das, was wir nicht packen, problemlos wegtragen kann. Und jetzt sind wir ganz schnell bei Jesus angekommen. In vielen Situationen zeigt Jesus schon zu Beginn seines Wirkens, dass er „Ur-heber“ und zugleich „Auf-heber“ ist: „Dir sind deine Sünden vergeben“, sagt er zu dem Gelähmten (Markus 2,5). Das heißt im Klartext: „Deine Schuld ist aufgehoben. Du bist frei. Du hast wieder Bewegungsspielraum.“ Auch in seiner ersten Predigt in der Synagoge in Nazareth bläst er ins gleiche Horn: „Der Geist des Herrn ist auf mir … zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen … und zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn“ (Lukas 4,18f). Gnadenjahr heißt Erlassjahr. Jedem sollen die Schulden erlassen werden. Jeder darf neu starten. Oder denken wir an die ersten Worte von Johannes dem Täufer über Jesus: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das die Sünde der Welt (weg)trägt“ (Johannes 1,29). Jesus wird mit dem Sündenbock identifiziert, dem die Sünde übertragen und der damit in die Wüste geschickt wird, um zu sterben (3. Mose 16,10). Bis zum letzten Atemzug lebt und stirbt Jesus fürs Aufheben und Wegtragen der Schuld. „Es ist vollbracht“ ist der Siegesschrei am Kreuz. Als wollte der Sterbende sagen: „Ich habe es geschafft. Himmel und Erde sind wieder zusammen. Die Cherubim-Security am Tor zum Garten Eden kann ihren Dienst einstellen.“ Am Anfang der Menschheitsgeschichte hat Gott die Engel vor den Eingang des Paradieses gestellt, damit die sündigen Menschen nicht ins Paradies zurückkehren und gar vom Baum des Lebens essen (1. Mose 3,24). Seit dem Tod von Jesus sind die Wachen weg. Jetzt ist der Weg frei. Im bekannten Weihnachtslied von Georg Weissel heißt es deshalb in der letzten Strophe: Heut schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis; der Cherub steht nicht mehr dafür. Gott sei Lob, Ehr und Preis. Petrus sprach in seiner ersten öffentlichen Predigt davon, dass Jesus gestorben und auferstanden ist und dass seine Zuhörer Jesus ans Kreuz gebracht und dadurch Schuld auf sich geladen haben. Das ging ihnen zu Herzen und sie fragten Petrus, was sie tun könnten. Der Apostel fordert sie auf: „Tut Buße, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des Heiligen Geistes“ (Apostelgeschichte 2,38). Buße tun setzt voraus, dass einer seine Sünde erkennt. Sobald die Erkenntnis des eigenen Versagens da ist, gibt es den Judas- oder den Petrusweg: Entweder verzweifelt ein Mensch am Leben. Und im schlimmsten Fall endet die Verzweiflung im Suizid, wie wir es bei Judas Iskariot sehen. Wenn aber jemand Vergebung in Anspruch nimmt, darf er noch einmal von vorn beginnen, wie es Petrus erlebt hat. ben! Trotz all unserer Bemühungen können wir unsere Schuld nicht alleine aufheben und wegtragen. Foto: istockphoto/BartekSzewczyk
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