20 Pfarrer Johannes Luithle war von 2018 bis sommer 2023 direktor der liebenzeller mission. seit september 2023 ist er pfarrer und geistlicher leiter der ev. brüdergemeinde in korntal. seine Frau andrea und er haben drei kinder. weiterdenken >> sonderbeitrag zum thema Von Johannes luithle Der Neustart wird durch Gottes Geist möglich gemacht und in der Taufhandlung sichtbar nachvollzogen. Vor allem im Untertauchen wird gezeigt, dass ein Mensch durch die Vergebung nicht nur gereinigt wird, sondern eine neue Existenz bekommt. War er vorher blind, ist er nun sehend geworden. War er bisher lahm und gefangen, kann er sich nun frei bewegen. Er ist nicht nur frisch gemacht und gewaschen, sondern frisch gemacht im Sinne von „neu gemacht“. Er erhält einen neuen Namen und eine neue Adresse. Jetzt ist er Kind Gottes mit himmlischem Wohnsitz. 3. Augen aufheben und kopf erheben Bisher ging es darum, dass Jesus Christus für uns die Lasten (weg-)trägt und aufhebt. Was folgt für uns? Wenn wir Vergebung empfangen haben, stehen wir unter Gottes Segen. Das zeigt sich darin, dass der Herr sein Angesicht über oder auf uns erhebt und uns Frieden gibt. So wird es uns im Aaronitischen Segen zugesprochen (4. Mose 6,24–26). Wir können deshalb unsere Augen aufheben und unseren Kopf erheben, weil Gott uns aufgerichtet hat. Wir können unsere Stimme erheben und Gott für seine Treue und Güte loben. Gleichzeitig werden wir auch unser Angesicht anderen Menschen zuwenden und ihnen unser von Gott gegebenes wahres Gesicht zeigen. Wir hören auf, nachtragend zu sein. Stattdessen ertragen wir den anderen in Liebe. Einmal, zweimal, siebenmal? Nein, siebzigmal siebenmal, also immer und nicht nur immer wieder (Matthäus 18,22; Galater 6,1). Wer von Gott Vergebung erhalten hat, wird in der Vergebungshaltung leben. Ständig werden wir von einem anderen Menschen verletzt durch ein Wort, das er sagt oder auch nicht sagt. Immer wieder schaden uns andere durch eine Handlung, die sie an uns vollziehen, oder dadurch, dass sie nicht das tun, was wir von ihnen erwarten. Wir werden ständig aneinander schuldig. Wenn wir nicht in der Vergebungshaltung leben, wird unser Lebensraum rasch eng. Wir müssen der Person ausweichen, die uns das Leben schwer macht. Wir regen uns auf über die Person, die an uns schuldig wurde. Leben wir aber in der Haltung der Vergebung, können wir unsere Augen aufheben und müssen nicht weiter den Blick senken, wie es zum Beispiel Kain tat (1. Mose 4,6f). Dann können wir auch sagen, was uns am anderen stört. Nicht um den anderen fertigzumachen, sondern um ihm zu helfen. Manchmal hilft eine Aussprache, dass wir die Sache loswerden, die uns beschäftigt, – vor allem dann, wenn wir uns schuldig gemacht haben. Wenn aber ein anderer an mir schuldig geworden ist, bin ich gefordert, im Namen von Jesus zu vergeben. Bei jedem Abendmahl, das wir feiern, erinnern wir uns daran: Weil du, Jesus, mich hebst und trägst, deshalb kann ich andere loslassen und ihnen ihre Schuld erlassen. Bei jedem Vaterunser beten wir: „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.“ Jesus hielt an der Vergebungshaltung sogar noch in der Sterbestunde am Kreuz fest. Er versicherte einem Räuber, der mit ihm gekreuzigt wurde, dass sie demnächst im Paradies zusammen sein werden. Er betete für seine Peiniger, dass Gott ihre Schuld aufheben möge, damit sie nicht in ihrer Schuld sterben müssen. 4. Vergebung im Herzen aufheben In der deutschen Sprache gibt es noch eine vierte Bedeutung von „aufheben“: Wir heben wertvolle Dinge auf. Wichtige Dokumente oder Andenken verstauen wir an sicheren Plätzen. Solange wir „Vergebung“ im Herzen aufheben, ist es gut. Solange Vergebung einen Platz in unserem Herzen hat, wird sie unser Denken und Handeln beeinflussen und prägen. Gefährlich und schräg wird es, wenn wir das aufheben oder gar „abheften“, was uns angetan wurde: Die Akte wird immer dicker. Und wenn sie geöffnet wird, dient es dazu, den anderen zu verurteilen. Machs wie Gott. Wenn er vergibt, dann ist die Schuld in den Tiefen des Meeres versenkt und für immer ersäuft (Micha 7,19). Wenn er vergibt, dann ist die Sünde so weit weg wie der Morgen vom Abend (Psalm 103,12). Es ist das Schönste, was uns Menschen geschehen kann, wenn Vergebung unser Herz, unseren Mund und unsere Hände durchströmt. Dann breiten sich Freude, Friede und Freiheit aus. Wo Vergebung erfahren wird, lebt ein Mensch auf. Da geht auf einmal ganz viel „auf“: aufatmen, aufsehen, aufspringen und auf jeden Fall aufheben. l Foto: istockphoto/newphotoservice sobald die erkenntnis des eigenen versagens da ist, gibt es den judas- oder den petrusweg.
RkJQdWJsaXNoZXIy Mzg4OTA=