MISSION weltweit – Ausgaben 2023

22 ratLos Während sich nach wie vor viele Menschen für theologische Fragen interessieren (der immense Erfolg theologischer Podcasts und geistlich-theologischer Kurzbildungsangebote ist dafür ein deutliches Zeichen), ist das Interesse am pastoralen Amt und in der Folge auch das Interesse an einer pastoralen Ausbildung eingebrochen. Studierten 1830 noch 27 % aller Studierenden an deutschen Universitäten Theologie, sind es heute nur 0,25 %. War 1980 noch jede/r 100ste Studierende ein/e Volltheologiestudent/in (im Unterschied zu den zahlreicheren Lehramtsstudierenden), ist es heute nur jede/r 500ste – und von den derzeit rund 7000 Studierenden, die evangelische Theologie als Vollstudium studieren, geben nur ein Drittel das Pfarramt als Berufsziel an. Bei den katholischen Schwestern und Brüdern ist es noch dramatischer: Es gibt in ganz Deutschland unter den Studierenden der katholischen Volltheologie nur rund 200 Priesteramtskandidaten. Dem entspricht, dass nicht nur die Entscheidung für eine theologisch-pastorale Ausbildung immer seltener getroffen wird, sondern auch nach Studium bzw. Ausbilratlos angesichts der krise des pastoralen amtes veröffentlichen in steter Regelmäßigkeit Untersuchungen zum Berufsprestige. Dabei fällt auf, dass manche Berufsbilder wie Ärzte ihr hohes Prestige bewahren konnten, andere wie Polizisten es sogar drastisch steigern konnten und es bei „Pfarrern/Geistlichen“ stark nach unten ging. Dies entspricht auch dem Maß an Vertrauen, das Menschen in Kirchen haben: Hatten 1984 noch 40 bzw. 42 % der Befragten Vertrauen in die evangelische bzw. katholische Kirche, waren es 2012 nur noch 31 % bzw. 21 %. Seither dürfte der Wert vermutlich nicht wieder gestiegen sein. Diese Entwicklung drückt sich nicht zuletzt in den niederschmetternden Austritts- und Mitgliederzahlen aus. Die großen Kirchen verlieren momentan jährlich zwischen 2,5 und 3,6 % ihrer Mitglieder – mit wachsender Tendenz. Die Halbierung der Mitgliederzahl tritt voraussichtlich nicht erst – wie noch 2019 vom Freiburger Forschungszentrum Generationenverträge berechnet – 2060 ein, sondern bereits zwischen 2035 und 2040. Das alles spielt bei der Berufswahl eine Rolle: Welcher junge Mensch wählt einen Beruf, der mit sinkendem Ansehen, geringer Wertschätzung und unklarer Perspektive verbunden ist? Von dieser Wahrnehmung können sich die großen Freikirchen und landeskirchlichen Gemeinschaftsverbände nicht befreien. Auch sie sind in diesem Sog gefangen. dung und sogar nach einer praktischen Ausbildungsphase (z. B. in einem Vikariat oder einem begleiteten Berufseinstieg) die Entscheidung immer öfter gegen den hauptberuflichen Dienst fällt. Nicht selten wollen nur 50 % der Vikare eines Jahrgangs ins Pfarramt. Dies ist auch im pietistischen und evangelikalen Sektor nicht wesentlich anders. Der Ausbildungsreferent eines Gnadauer Werkes erzählte mir, dass seiner Einschätzung nach von zehn jungen Menschen, die mit einem Theologiestudium beginnen, nur eine/r als Pastor/in mit Mitte 60 in den Ruhestand geht. Auch auf dem Weg des pastoralen Dienstes scheiden noch einmal viele aus diesem Beruf aus. Welche Gründe gibt es für diese für Landeskirchen, Freikirchen, Gemeinden und Gemeinschaften desaströse Entwicklung? Bei der Spurensuche tauchen immer wieder folgende Faktoren auf, deren Gewicht unterschiedlich bewertet wird: 1. Der Verlust des Berufsprestiges Meinungsforschungsinstitute, allen voran das Allensbacher Institut für Demoskopie, die situation ist belämmernd: an den theologischen universitäten, hochschulen und ausbildungsstätten fehlen die studierenden und in den gemeinden die Pfarrer/innen und Pastor/innen. es fehlen damit nicht nur die „arbeiter für die ernte“, sondern schon die für das säen, begießen und unkrautjäten.

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