MISSION weltweit – Ausgaben 2024

MISSION weltweit 1/2024 ECUADOR 13 ZUM THEMA Ein Abschied läutet einen Wechsel ein Die Veränderung führte von einer Welt in eine andere. Während für uns Eltern Deutschland mit vielen Erinnerungen verbunden ist, war es für unsere Kinder Neuland im wahrsten Sinne des Wortes. Aus ihrer Sicht verließen sie ihre Heimat Ecuador und zogen in ein Land, in dem sie nie zuvor gelebt hatten. Es brauchte Zeit und Geduld, diese Veränderungen zu verkraften. Jemand meinte, dass es im Durchschnitt drei Monate dauert, bis (Missionars-)Kinder nach einem Wechsel „angekommen“ sind. In dieser Zeit bestand für mich die Herausforderung darin, nicht nur meine eigenen Emotionen wahrzunehmen und mit ihnen umzugehen, sondern als Mutter auch die Empfindungen der Kinder zu begleiten. Wir befanden uns in einer Art Ausnahmezustand – geprägt von unerwarteten emotionalen Reaktionen unserer Kinder, unterbrochenem Schlaf, Entdeckerfreude, Kennenlernen der neuen Umgebung. Während unsere eine Tochter ihren Gefühlen in verschiedenen Extremen freien Lauf ließ, klammerte sich die andere an mich und wich kaum von meiner Seite. Unsere Kinder sind in einem Alter, in dem sie noch nicht zwei Emotionen gleichzeitig fühlen oder miteinander vereinbaren können. Sie empfinden entweder den Schmerz und das Vermissen – oder die Aufregung und Freude am Entdecken. Diese Einsicht half mir sehr, Reaktionen einzuordnen und als Momentaufnahme und nicht als absolut zu sehen. Zum Abschied gehören „Danke“ und „Entschuldigung“ Abschiede sind immer emotional – sie sind schmerzhaft und haben dennoch eine schöne Seite. Je schwerer uns der Abschied von Land und Leuten fällt, desto größer ist unsere Verbundenheit mit ihnen. Abschiedszeiten sind besondere Zeiten, in denen (letzte) Worte mehr Gewicht bekommen und hängen bleiben. Ermutigung, Dank und Wertschätzung ausdrücken gehören dazu und machen diese Zeit zu einer wertvollen Erfahrung. Vor unserer Ausreise aus Ecuador überraschte uns ein Brief, in dem uns eine junge Frau aus dem Jugendkreis für die geistliche Prägung dankte, die wir ihr gegeben hatten. Ohne diese hätte sie wohl nicht an ihrer Beziehung zu Jesus festgehalten. Auch wir konnten in Ecuador und in Deutschland in der Abschiedsphase Gespräche führen und unseren Dank und unsere Wertschätzung ausdrücken, die in Erinnerung bleiben. Der Abschied ist auch eine sehr gute Möglichkeit, Zwischenmenschliches zu bereinigen. Zu einem gelungenen Abschluss eines Lebensabschnitts gehören geklärte Beziehungen („so viel an uns/euch liegt“, Römer 12,18). Dann reist man mit deutlich leichterem Gepäck. Ein „Entschuldigung“ mag den meisten von uns schwerer über die Lippen gehen als ein „Dankeschön“, hat aber ein großes Potenzial für einen von Altlasten befreiten Abschluss. Ein Abschied birgt Chancen Abschied ermöglicht einen Neuanfang: Man kann neue Routinen entwickeln und seine bisherigen Vorgehensweisen, Rollen, Erwartungen und Ziele überdenken und anpassen. Er bietet die Chance, herauszutreten aus bisherigen Umständen: Man kann mit Abstand seine Erfahrungen reflektieren und bewerten. Der Abstand von unseren Aufgaben und Rollen in Ecuador während des Deutschlandaufenthaltes tat gut. Wir konnten loslassen und aus der Ferne Weichen neu stellen und überlegen, wie wir im zweiten Term vorgehen und worauf wir achten möchten. So haben wir uns zum Beispiel vorgenommen, unsere Zeit bewusst nicht mit Jugendkreisen, Kids Clubs und festen Terminen zu füllen, sondern zeitliche und emotionale Kapazität zu haben, um in die persönliche Begleitung von Frauen, Jugendlichen und Paaren zu investieren. Auch wenn ich Abschiede als schmerzhaft und schwer empfinde, will ich mich nicht auf die Trauer konzentrieren. Ich möchte die Chance des Neuanfangs sehen und die Gelegenheit nutzen, mit einem „Danke“ und wo nötig einem „Entschuldige“ Beziehungen zu bereinigen, die dann trotz der Entfernung gut weitergeführt werden können. Tabea Ruf Sebastian und Tabea Ruf leiteten von 2018 bis 2022 die impact-Teams in Ecuador und bauen nun das Projekt „Casa Ágape“ in Ibarra auf. Dort werden Hilfsangebote für Frauen geschaffen, die unter häuslicher Gewalt leiden. Sebastian ist außerdem Pastor in der Gemeinde in Mira. Er hat nach der Ausbildung zum Forstwirt an der Interkulturellen Theologischen Akademie (ITA) studiert, Tabea „Theologie und Soziale Arbeit“ an der Internationalen Hochschule Liebenzell (IHL). Die beiden haben drei Kinder. Rundbriefe und mehr: www.liebenzell.org/ruf FOTOS: TABEA UND SEBASTIAN RUF Zurück in Ecuador: Wir genießen wieder die frischen Fruchtsäfte und Empanadas

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