MISSION weltweit – Ausgaben 2024

25 MISSION weltweit 4/2024 RATLOS Botschaft benutzen, um – auch – sich selbst ins Rampenlicht zu stellen. Glaube mir, liebe Seele, das kommt vor. Schließt du da nicht vorschnell von dir auf andere? Vielleicht. Aber nur weil ich gefährdet bin, heißt das nicht, dass es bei anderen nicht so ist. Ein lieber Kollege verwendet gelegentlich die Bezeichnung „Rampensau“ für einen, der die Halle rocken kann. Und er meint damit nicht nur eine gute Stimmung in der Vorlesung, sondern eben auch in Gottesdiensten und bei Vorträgen. Aber was stört dich daran? Eigentlich stört mich nichts daran, im Gegenteil: Jemand, der das Evangelium langweilig „rüberbringt“, ist auch kein Vorbild. Es ist also eine Gratwanderung zwischen Bühne und Kanzel? Das trifft es wohl ganz gut. Bühne steht für Headset, lockere Sprüche, legere Kleidung, Band im Hintergrund, farbige Strahler und möglicherweise Bühnennebel. Alles suggeriert (ein Werturteil, ich weiß) Offenheit, Zugewandtsein und Nahbarkeit: „Hey, ich bin wie ihr, und ich erzähle euch jetzt was von Gott.“ Kanzel dagegen steht für den klassischen Kirchenraum mit Altar, Kerzen, Paramenten, Orgel und aus der Zeit gefallenen Talaren. Diese ganze Liturgie (und Litanei) bestimmt das Erleben des Gottesdienstes. Da gibt es ein Oben und Unten und eine Form, die scheinbar keine Rücksicht auf meine Bedürfnisse nimmt. Locker gegen steif also? Was willst du? Ich will beides, das ist doch das Dilemma. Nach steifen Gottesdiensten wünsche ich mir mehr Nähe und Lockerheit, aber nach einem „Event-Gottesdienst“ mit ganz viel „Du/Dich/Dir ganz persönlich“-Sätzen zieht es mich wieder unter die Kanzel und zur Liturgie, wo Worte kostbarer sind und Performer unsichtbarer. Bühnengottesdienste neigen zur Geschwätzigkeit. Alles wird verpackt und erklärt und nahegebracht. Aber je näher es kommt, desto banaler erscheint es mir. Viele Geschicht(ch)en, manchmal auch viele zusammenhanglose Bibelverse und fromme Vokabeln, die ein frömmelndes Allerlei, aber wenig Prägnantes ergeben. Was die Liturgie in kurzen Sätzen sagen kann, wird auf der Bühne oft längs und breit ausgewalzt. Aber die liturgischen Sätze sind doch nur für Insider verständlich, die sie oft nur nachplappern. Stimmt. Aber Sätze, die ich immer wieder höre und vielleicht gedankenlos nachplappere, haken sich fest. Das Vaterunser, der aaronitische Segen am Ende, das Sündenbekenntnis, die Worte beim Abendmahl. Sie werden zu Kletten, die sich festkrallen und auch dann noch da sind, wenn ich weitergegangen bin. Eine lustige Geschichte oder ein lockerer Spruch prägen sich vielleicht auch ein, aber kann ich davon leben? Will ich, dass sie an mir hängen bleiben? „Der Herr sei mit euch“ – wo ich das so höre, dass ich es glauben kann, weil der, der es sagt, es so meint und es sich selbst sagen lässt, da beginnt für mich der Gottesdienst gut zu werden. Das Gespräch ist, glaube ich, noch nicht zu Ende. Die Zeichenzahl schon. Aber gut, dass wir angefangen haben, darüber nachzudenken … Prof. Dr. Roland Deines ist seit September 2017 Professor für Biblische Theologie und Antikes Judentum an der Internationalen Hochschule Liebenzell (IHL). Er ist seit 1985 verheiratet mit Renate und Vater eines erwachsenen Sohnes. „Der Herr sei mit euch“ – wo ich das so höre, dass ich es glauben kann, weil der, der es sagt, es so meint und es sich selbst sagen lässt, da beginnt für mich der Gottesdienst gut zu werden. FOTO: ISTOCKPHOTO/ADRIAN TUSAR FOTO: JOCHEN LENGLER

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