MISSION weltweit – Ausgaben 2024

LIEBENZELLER MISSION AKTUELL MISSION weltweit 1/2024 1 Christopher J. H. Wright, The Mission of God. Unlocking the Bible’s Grand Narrative, Downers Grove, 202. 2 Apostelgeschichte 9,1-2; 16,17; 19,9.23; 22,4; 24,14.22 3 Thomas Söding, Ein Gott für alle. Der Aufbruch zur Weltmission in der Apostelgeschichte, Freiburg 2020, 24. FOTO: ISTOCKPHOTO/RDEGRIE WEITERDENKEN >> SONDERBEITRAG ZUM THEMA VON MIHAMM KIM-RAUCHHOLZ Sonder- beitrag von Mihamm Kim- Rauchholz voll. Ein Leben, das auch weiterhin geprägt ist von biologischen und sozialen Umbrüchen und Veränderungen, die nicht nur eine neue Phase in unserem Leben einläuten, sondern uns auch oft zwingen, loszulassen von vertrauten Menschen und Umgebungen, Konstellationen und Gewohnheiten, Fähigkeiten, Träumen und Plänen. Kinder, die das Elternhaus verlassen wegen Studium, Ausbildung, Hochzeit sind Teil solcher Veränderungen – wie auch berufliche Wechsel, Umzüge oder die Erfahrung, dass der unausweichliche Alterungsprozess uns zwingt, immer mehr Abschied zu nehmen von Fähigkeiten und körperlichen Leistungen, die für uns lange Zeit selbstverständlich waren. Und meistens stellen diese Erfahrungen des Abschieds – ob nun im persönlichen oder im beruflichen Bereich – Herausforderungen dar, die nicht immer einfach zu bewältigen sind, weil man Gewohntes und Vertrautes loslassen und gleichzeitig sich auf etwas Neues einstellen muss. Nicht immer ist der „Zauber“ aus dem berühmten Gedicht von Hermann Hesse, der jedem neuen Anfang innewohnen soll, in der Realität so erfahrbar. Sie ist oft geprägt von (eher unfreiwilligen) Umbrüchen, Veränderungen und schmerzlichen Verlusten. Angesichts dieser Herausforderungen, die die verschiedenen Abschiede in unserem Leben begleiten, ist es hilfreich, sich diesem Thema aus der biblischen Perspektive zu nähern. Radikale und folgenreiche Umbrüche Eine der grundlegendsten Geschichten in der Bibel für den christlichen Glauben ist der Ruf Gottes an Abraham, sein vertrautes Leben und Umfeld zu verlassen und mit Gott auf einen neuen Weg der Verheißung aufzubrechen: „Und der Herr sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.“ (1. Mose 12,1–3) Der Ruf Gottes an Abraham beginnt mit der Forderung, loszugehen und Abschied zu nehmen von seiner Heimat, seiner Verwandtschaft, dem Haus seines Vaters, und endet in der Verheißung, dass alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden sollen in Abraham. Die Segensverheißung ist also gekoppelt an den Aufbruch Abrahams, an das Losgehen auf diesem Weg in das neue Land. Und damit aber auch, sich zu verabschieden von den alten und vertrauten Lebensumständen, die ihn sein ganzes Leben lang geprägt und ihm Sicherheit gegeben hatten. Es ist ein radikaler Umbruch, der sehr viel einfacher klingt in diesen kurzen Versen, als er sich in der Realität wahrscheinlich abgespielt hat. Mit 75 Jahren aufzubrechen und Abschied zu nehmen vom Vaterland, der Kultur und allem, was einem vertraut war, ist für viele unvorstellbar und vielleicht sogar unvernünftig. Und die Verheißung Gottes lautet nicht, dass der neue Weg leicht und angenehm verlaufen wird, sondern dass Gott Abraham segnen wird und in ihm alle Nationen. Globale und anhaltende Verheißungen Der irische Missiologe und Alttestamentler Christopher Wright bringt diesen Zusammenhang mit den folgenden Worten noch einmal auf den Punkt: „Only Abraham’s leaving releases the nation’s blessing (erst Abrahams Aufbruch setzt den Segen für die Nationen frei).”1 Damit stellt Wright klar, dass der Abschied im Leben Abrahams, der auf den Ruf Gottes hin erfolgt, nicht nur auf der persönlichen, horizontalen Ebene für Abraham und seine Familie Auswirkungen hat, sondern darüber hinaus auf einer globalen und vertikalen Ebene auch für alle Nationen, die in ihm gesegnet werden sollen. Das bedeutet, dass trotz aller Trauer über den Verlust der alten Beziehungen, trotz der Ungewissheit über das Neue und trotz des Kraftaufwands, die einem Abschied wesenhaft innewohnen, eben genau darin die Verheißung des Segens Gottes liegt. Dynamische und permanente Aufbrüche Diese Schritte, die Menschen auf Gottes Ruf hin gegangen sind, sind auch Tausende Jahre später noch nicht zu Ende gekommen. Das Christentum wird in der Apostelgeschichte oft als der „Weg“ dargestellt.2 Nach Thomas Söding ist diese Charakterisierung aufschlussreich. So schreibt er: „Sie bringt die Dynamik des Christseins in der Nachfolge Jesu zum Ausdruck. Sie reflektiert, dass etwas passiert: ein Prozess des Losgehens und Ankommens, des Suchens und Findens, der Begegnungen und Trennungen, der Aufbrüche, Rückschläge und Fortschritte. Der Weg ist ein permanenter Neubeginn.“3 Die Apostelgeschichte beschreibt konkret, wie dieser Weg eines „permanenten Neubeginns“ für die Nachfolger Jesu aussehen kann. Und wie der Glaube an das 19 Über jedem Abschied unseres Lebens, so schmerzlich und herausfordernd er manchmal auch sein mag, liegt die unwiderrufliche Verheißung des Segens Gottes, der nicht nur uns allein, sondern durch uns auch den Menschen gilt, denen wir auf diesem Weg begegnen.

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