20 Prof. Dr. Mihamm Kim-Rauchholz, verheiratet mit Prof. Dr. Manuel Rauchholz (lehrt an der Trinity Evangelical Divinity School), drei Töchter. Mihamm Kim-Rauchholz hat in Seoul, Tübingen und Heidelberg evangelische Theologie studiert und im Fach Neues Testament promoviert. Als Familie waren sie mehrere Jahre in Mikronesien als Missionare unterwegs. Mihamm Kim-Rauchholz war seit 2011 an der Internationalen Hochschule Liebenzell (IHL) als Professorin für Neues Testament tätig. Seit September 2023 ist sie Theologische Referentin und Fachbereichsleiterin für Ozeanien bei der Liebenzeller Mission. WEITERDENKEN >> SONDERBEITRAG ZUM THEMA VON MIHAMM KIM-RAUCHHOLZ Evangelium Jesu Christi die Christen des ersten Jahrhunderts dazu bringt, immer wieder Abschied zu nehmen von vertrauten Wegen und alten Überzeugungen, von unguten Gewohnheiten und religiösen Vorurteilen, von kulturellen Gepflogenheiten und sündigen Lebensführungen. Weltverändernde Auswirkungen Die mit dem Tod von Stephanus ausgelöste Verfolgung in Jerusalem führt dazu, dass Christen gezwungen sind, Jerusalem zu verlassen. Und doch liegt in diesem Abschied ein Segen, dass nämlich die Zerstreuung der Christen letztlich der Verbreitung des Evangeliums dient (Apostelgeschichte 8,4). So kommt auch Philippus in die Hauptstadt Samariens und verkündigt dort mit großer Vollmacht den Menschen das Evangelium. Aber auch hier wird er inmitten seines Wirkens vom Engel des Herrn angewiesen, aufzubrechen nach Süden auf die Straße, die von Jerusalem nach Gaza hinabführt und öde ist (Apostelgeschichte 8,26–40). Und so nimmt er Abschied von der Stadt, in der er zuvor mit Predigten, Zeichen und mächtigen Taten das Evangelium verkündigt hat. Er macht sich auf, um auf einer verlassenen Straße weiterzuziehen. Ein Aufbruch, der auf den ersten Blick wenig sinnvoll erscheint. Und doch kommt es auf diesem Weg durch die Begegnung mit ihm zur Bekehrung und Taufe des äthiopischen Kämmerers, der wiederum fröhlich als Jünger Jesu seines Weges weiterzieht mit dem Evangelium. Paulus, der auf dem Weg nach Damaskus durch die Begegnung mit dem auferstandenen Jesus einen existenziellen Umbruch erfährt, nimmt Abschied von seinem alten Leben und seinen religiösen Überzeugungen als Verfolger der Gemeinde Jesu. Er macht sich als Apostel der Heiden auf den Weg mit Gott zu allen Nationen. Petrus, der Leiter der Jerusalemer Urkirche, lernt durch das Wirken des Heiligen Geistes Abschied zu nehmen von seinem beschränkten Menschen- und Gottesbild und öffnet mit der Begegnung und Taufe von Cornelius die entscheidende Tür zur Heidenmission. Bleibende Gabe und Aufgabe Und so sind all diese verschiedenen Abschiede in der Apostelgeschichte nicht nur in geografischer Hinsicht, sondern auch im Hinblick auf den eigenen Glauben und das eigene Leben mit den Worten von Söding ein „Aufbruch ins Weite“. Er kommt daher zum Schluss, dass „immer wieder aufzubrechen“ die Aufgabe ist, „der sich die Missionare stellen müssen; es ist auch die Gabe, die sie haben.“4 Dass in dieser Aufgabe und Gabe der Missionare nicht nur ein wichtiges Charakteristikum der ersten Christenheit in der Apostelgeschichte dargestellt wird, sondern vor allem auch ein zentraler Wesenszug ihres Herrn Jesus Christus, wird sehr schnell deutlich, wenn man den Weg von Jesus selbst in den Evangelien nachzeichnet. Jesus, der Mensch wird und den Weg der Erniedrigung (Philipper 2,5–11) geht, war zeit seines irdischen Lebens unterwegs, um „zu suchen und zu retten, was verloren ist“ (Lukas 19,10). Seine Sendung, die ihn hat unterwegs sein lassen, hat er an seine Nachfolger weitergegeben. Umfassende Verheißung seines Segens Deshalb sind Abschiede im Leben eines Christenmenschen auch immer Aufbrüche auf ihrem Weg mit Gott. Ein Loslassen und Losgehen in der Abhängigkeit von Gott allein. Und nicht immer sind wir begeistert, Abschied zu nehmen von uns lieb gewordenen Menschen, von Umgebungen, die uns Sicherheit geben, von Wegen, die uns zutiefst vertraut sind und von Aufgaben, über die wir uns definiert haben. Wie bei allen Zeugen, die vor uns diesen Weg gegangen sind – wie Abraham, Jakob, Josef, David, die alttestamentlichen Propheten, Johannes der Täufer, Petrus, Jakobus, Stephanus, Barnabas, Paulus und viele mehr –, erfahren auch wir Hindernisse, Rückschläge, Enttäuschungen und Zweifel, die uns den Abschied und auch den Aufbruch auf dem Weg mit Gott erschweren. Aber über jedem Abschied unseres Lebens, so schmerzlich und herausfordernd er manchmal auch sein mag, liegt die unwiderrufliche Verheißung des Segens Gottes, der nicht nur uns allein, sondern durch uns auch den Menschen gilt, denen wir auf diesem Weg begegnen. Entscheidend ist dabei, dass wir unsere Schritte mit Gott gehen, im Hören auf sein Wort und im Vertrauen auf seine Kraft und Führung durch den Heiligen Geist. Diese Verheißung gilt nicht nur im Leben, sondern vor allem auch im Sterben. „Wir, die wir keine bleibende Stadt hier in dieser Welt haben, sondern die zukünftige suchen“ (Hebräer 13,14), dürfen auch den Weg des letzten Abschieds von dieser Welt getrost, geführt und gesegnet beschreiten in dem Wissen, dass die Verheißung des ewigen Lebens und Segens Gottes nicht nur diesem letzten Abschied innewohnt, sondern in ihrer ganzen Pracht und Schönheit auch endlich zur Vollendung kommt. 4 Thomas Söding, ebd. 50. Die Segensverheißung ist gekoppelt an den Aufbruch Abrahams, an das Losgehen auf diesem Weg in das neue Land. FOTO: ISTOCKPHOTO/THOMAS ZSEBOK
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