MISSION weltweit 1/2024 SAMBIA 7 ZUM THEMA bei den Absolvierungsfeiern an der Universität nicht anders. Die meisten haben vier Jahre lang bei uns studiert, es sind Beziehungen gewachsen, und wir haben viele Stunden gemeinsam verbracht. Während ich oft mit den Tränen kämpfe, überwiegt bei den Absolventen die Freude, und manche gehen ohne Abschied. Inzwischen versuche ich, mir dieses Verhalten so zu erklären: Während für sie etwas Neues beginnt, bleibt bei mir alles beim Alten. Mein Alltag verändert sich nicht wirklich; das Leben geht mit anderen Menschen weiter, mit denen ich erst wieder eine Beziehung aufbauen muss. Diejenigen, die gehen, sind voll Erwartung auf das, was kommen wird, während ich einen Alltag ohne die gewohnten Personen und Beziehungen leben werde. Lücken akzeptieren und neu füllen Sehr intensiv habe ich das beim Abschied von vertrauten Missionarskollegen erlebt, die zu Freunden geworden waren. Als wir uns am Flughafen verabschiedet hatten und sie Richtung Flugzeug und damit in „das Neue“ verschwunden waren, saß ich erst einmal für eine Stunde in einem kleinen Café und versuchte, die Tränen unter Kontrolle zu bringen. Seither muss ich immer wieder die entstandene Lücke akzeptieren und lernen, sie neu zu füllen. Das passiert in der oben beschriebenen neutralen Zone zwischen Abschied und Neuanfang. Diese Zwischenzeit kann kurz ausfallen, und ein anderes Mal dauert es viel länger, bis ich mich auf Neues einlassen kann. Mir fällt es nach 25 Jahren im Ausland mit vielen Abschieden von vertrauten Personen zunehmend schwerer, mich auf „das Neue“ einzulasMargit Schwemmle fährt hin und wieder zu Praktikanten und Absolventen der Evangelical University. Hier ist sie bei Ivine, die 2019 ihr Studium abgeschlossen hat und in Mushili arbeitet Unten links: Frühere Studenten der EU überraschen Margit mit einem Besuch sen, vor allem auf unbekannte Menschen oder neue Kollegen. Ich möchte mich nicht immer wieder erklären müssen und brauche Beziehungen zu Menschen, die wissen, wo ich herkomme, die meine Vergangenheit verstehen. Aber die finde ich im Ausland nur sehr selten. Platz für neue Erfahrungen schaffen Gott sei Dank erlebe ich, was Erich Fromm so ausgedrückt hat: „Abschiede sind notwendig, um Platz für das Leben zu schaffen.“ Ohne Ab- schiede von Menschen wäre kein Platz für neue Erfahrungen mit anderen. Deshalb will ich in den Abschieden das Geschenk sehen, das Platz für neues Leben schafft: Ohne den Abschied von Studierenden, die mir ans Herz gewachsen sind, würde es für sie keinen Neuanfang geben an einem Platz, an dem Gott sie gebrauchen will. Deshalb will ich sie ziehen lassen und wieder Raum haben für neue Beziehungen. Leicht ist das nicht, aber ich treffe die bewusste Entscheidung, weiterzugehen. Und ich lerne von meinen afrikanischen Freunden und Kollegen, dass man im Heute lebt. Die Vergangenheit ist wichtig, aber nicht entscheidend. Was die Zukunft bringt, weiß keiner. Warum sich also zu viele Gedanken darüber machen? Das Leben nach einem Abschied, welcher Art auch immer, will und muss weitergelebt und mit seinen Herausforderungen bewältigt werden. Dietrich Bonhoeffer hat einmal gesagt: „Abschiede lehren uns, die Vergänglichkeit des Lebens zu akzeptieren und den Wert des Augenblicks zu schätzen.“ Ja, wir müssen und sollen den Wert des Augenblicks schätzen. Dann können auch Abschiede zu etwas Gutem werden. Margit Schwemmle FOTOS: MARGIT SCHWEMMLE
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