ZUM THEMA BANGLADESCH 12 FOTOS: MICHA ULMER Bei uns zu Hause wurde stets offen und direkt kommuniziert, wir sind das Streiten gewohnt. Doch je älter ich werde (und ich bin eigentlich noch jung), desto mehr Streitmomente gibt es, die ich lieber nicht erlebt hätte: in der Familie, aber auch in meinem christlichen Umfeld, besonders hier in Bangladesch. Und wer furchtbare Konflikte erlebt oder kennt, wird mit einem großen Seufzen „Streit“ aushauchen. Streit, was ist das eigentlich? Einfach eine Meinungsverschiedenheit? Bedeutet es, dass man einander anschreit oder nicht mehr miteinander spricht? Der Duden definiert Streit so: Heftiges-sich-Auseinandersetzen, Zanken (mit einem persönlichen Gegner) in oft erregten Erörterungen, hitzige Wortwechsel, oft auch in Handgreiflichkeiten. Pädagogen wiederum sagen, dass Streiten wichtig ist für die Entwicklung der Persönlichkeit. Durch Streiten lerne man andere Sichtweisen kennen und müsse sich damit auseinandersetzen. Die Bibel verwendet im Neuen Testament den Begriff stets im negativen Sinn: „Törichte Streitfragen aber und Geschlechtsregister und Zänkereien und gesetzliche Streitigkeiten vermeide! Denn sie sind unnütz und wertlos.“ (Titus 3,9) Hier ist von törichten Streitfragen die Rede. Was aber ist wichtig und was ist töricht? Wenn in Bangladesch Wahlen sind, wird es, wie in vielen anderen Ländern, sehr schwierig. Es bilden sich zahlreiche Gruppen, die gegeneinander antreten. Alle haben hohe Ziele, gleichzeitig bezichtigt man die anderen der Untreue. In Ländern mit erhöhter Korruption wird nahezu jedes Mittel verwendet, um am Schluss zu gewinnen. Selbst bei Kirchenwahlen kommt es vor, dass Stimmen gekauft, der Konkurrent vor Gericht angezeigt oder bedroht wird. Seit den letztjährigen Wahlen in unserer Partnerkirche dauern die Konflikte trotz Vorliegen der Wahlergebnisse bis heute an. Als außenstehender Missionar nehme ich besonders zwei Dinge wahr: Erstens geht es beim Streit um Macht. Man will sie erlangen, und man gewinnt durch sie den Streit. Im Streben nach Macht wird oft zu nicht akzeptablen Methoden gegriffen wie eine Anklage oder körperliche Gewalt. In unserer europäischen Kultur wendet man meistens subtilere Mittel an wie hemmungsloses Schreien, ignorantes Schweigen oder einfaches Übergehen einer Person. Das ist genauso falsch. Zweitens finde ich bemerkenswert, wie viel die bengalischen Christen aushalten können, bevor sie sich entscheiden würden, getrennte Wege zu gehen. Hier spielt eine Rolle, dass ihr Denken, Im Kinderdorf in Khulna leben 80 Waisen und Halbwaisen zusammen mit vier Hauselternpaaren. Sie werden rundum versorgt und durch Schulbildung und das Erlernen von praktischen Fähigkeiten gefördert. Darüber hinaus wollen wir sie im christlichen Glauben und in ihrer persönlichen Beziehung zu Gott stärken. Wer in seinem Leben gegenwärtig nur kleinere Konflikte hat oder kennt, wird das Wort „Streit“ mit einer gewissen Leichtigkeit betrachten. „Manchmal ist Streit auch wichtig – Streit gehört zum Leben“, mag man sagen. Dem stimme ich weitgehend zu, denn ich komme aus einer sehr konfliktfreudigen Familie. Wenn Gotteskinder streiten
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