MISSION weltweit 3/2024 BANGLADESCH 13 ZUM THEMA wie in den meisten asiatischen Kulturen, kollektiv geprägt ist: Man denkt immer als Gruppe, zum Beispiel als Familie oder als Gemeinde. Der Anspruch der einzelnen Person hat nicht so viel Gewicht, die Gruppe muss von Entscheidungen profitieren. – Ich kann einerseits von Christen in Bangladesch lernen, mehr auszuhalten. Andererseits denke ich: Manches sollte man besser nicht aushalten, sondern sich klar davon distanzieren. Was nun? Welcher Weg ist richtig? Wer zu schnelle Antworten gibt, lebt in der Gefahr, an der Wirklichkeit vorbeizugehen. Der folgende Bibelvers scheint mir die Grundlage für eine gute Balance zu sein: „Ein Knecht des Herrn aber soll nicht streiten, sondern milde sein gegen jedermann, fähig zu lehren, geduldig im Ertragen von Bosheiten.“ (2. Timotheus 2,24) Wie die bengalischen Christen möchte ich geduldig Bosheiten ertragen (lernen). Ich selbst möchte milde gegen andere sein und mit warmen Worten den anderen einerseits besänftigen und andererseits gewinnen. Aber ich möchte auch fähig werden, andere zu lehren, und wissen, was falsch und was richtig ist. Letztlich möchte ich weise sein. Durch Gebet und das Reifen im Glauben und in der Persönlichkeit kann ein Mensch immer klarer erkennen, wann es dran ist, das eine (ertragen) oder das andere (lehren und ermahnen) zu tun. Die Balance zwischen Ertragen und Lehren gerät in Schieflage, wenn es der eine immer besser weiß und entscheidet, was falsch und richtig ist – und der andere jede Bosheit toleriert und keinen Gefallen findet an Normen oder Lehren. Ein Erlebnis zum Abschluss: Mit dem Projektleiter hier im Kinderdorf hatte ich schon den ein oder anderen Konflikt. Manchmal haben wir uns dabei sogar lautstark gegenseitig die Meinung gegeigt. Doch es gab – auch auf sein Drängen hin – noch keinen Konflikt, bei dem wir nicht spätestens am nächsten Tag miteinander darüber gebetet und uns oft auch gegenseitige Vergebung zugesprochen hätten. Von meinen Zwillingen kann ich lernen: Egal, wie sehr sie miteinander streiten: Ich bin und bleibe ihr Papa, und sie wollen gemeinsam in meiner Nähe sein. Genauso möchte ich mit meinen bengalischen Glaubensgeschwistern zu unserem himmlischen Vater kommen und in seiner Nähe Wegweisung, Heilung und Versöhnung erfahren. Micha Ulmer Micha und Katrin Ulmer leben seit Herbst 2020 in Bangladesch und haben zunächst die Sprache und Kultur kennengelernt. Seither arbeiten sie im Kinderdorf in Khulna und – zusammen mit einem baptistischen Kirchenverband – bei Gottesdiensten, Schulungen und Konferenzen mit. Nach Abitur, Maurer-Ausbildung und Theologiestudium an der Internationalen Hochschule Liebenzell war Micha in der Liebenzeller Gemeinschaft Blankenloch tätig. Katrin studierte Soziale Arbeit und betreute Wohnungslose in Pforzheim. Die beiden sind Eltern von Zwillingen. Rundbriefe und mehr: www.liebenzell.org/ulmer Gemeinsam kommen wir zum Ziel: Die Jungen im Kinderdorf beim Spiel Micha Ulmer unterwegs mit den Zwillingen
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