20 Werner Kröger, verheiratet mit Regina, Vater von fünf erwachsenen Kindern. Erster Beruf Landwirt, danach Studium am theologischen Seminar der Liebenzeller Mission. Werner Kröger ist seit mehr als 30 Jahren als Prediger und Pastor im Gemeindedienst unterwegs, zuletzt in der Freien evangelischen Gemeinde Coburg. Seit November 2023 ist er bei der Liebenzeller Mission als Pastor der Missionsberggemeinde angestellt. WEITERDENKEN >> SONDERBEITRAG ZUM THEMA VON WERNER KRÖGER Dietrich Bonhoeffer schreibt in seinem Buch „Gemeinsames Leben“1 im Abschnitt über seelische und geistliche Gemeinschaft: „Seelische Liebe liebt den andern um seiner selbst willen, geistliche Liebe liebt den andern um Christi willen. Seelische Liebe begehrt den andern, seine Gemeinschaft, seine Gegenliebe, aber sie dient ihm nicht. Vielmehr begehrt sie auch dort noch, wo sie zu dienen scheint.“ An anderer Stelle schreibt er im gleichen Buch: „Wer seinen Traum von einer christlichen Gemeinschaft mehr liebt als die christliche Gemeinschaft selbst, der wird zum Zerstörer jeder christlichen Gemeinschaft, und ob er es persönlich noch so ehrlich, noch so ernsthaft und hingebend meint.“ Die Frage ist, ob mein Ich und meine Vorstellungen dominieren oder Jesus. Ich komme nicht daran vorbei, mit Christus am Kreuz gestorben zu sein. Paulus sagt von sich in Galater 2,19b–20a: „Ich bin mit Christus gekreuzigt. Ich lebe nicht mehr, sondern Christus lebt in mir.“ Wenn mein Ego nicht mit Christus in den Tod gegeben wird und zu einer neuen Identität durch Christus aufersteht, ist auf Dauer keine gute Gemeinschaft von unterschiedlichen Menschen in der Gemeinde möglich. Die Gemeinschaft der Gläubigen ist die der begnadigten Sünder. Gemeinschaft der Heiligen – und der Sünder Dazu schreibt Dietrich Bonhoeffer in seinem benannten Buch: „Es kann sein, dass Christen trotz gemeinsamer Andacht, gemeinsamen Gebetes, trotz Gemeinschaft im Dienst allein gelassen bleiben, dass der letzte Durchbruch zur Gemeinschaft miteinander nicht erfolgt, weil sie zwar als Gläubige, als Fromme Gemeinschaft miteinander haben, aber nicht als die Unfrommen, als die Sünder. Die fromme Gemeinschaft erlaubt es ja keinem, Sünder zu sein. Darum muss jeder seine Sünde vor sich und vor der Gemeinschaft verbergen … Darum bleiben wir mit unserer Sünde allein, in der Lüge und der Heuchelei; denn wir sind nun einmal Sünder … Gott ist zu dir gekommen, um den Sünder selig zu machen. Freue dich! Diese Botschaft ist Befreiung durch Wahrheit. Du brauchst dich selbst und deinen Bruder nicht mehr zu belügen, als wärest du ohne Sünde, du darfst ein Sünder sein, danke Gott dafür; denn er liebt den Sünder, aber er hasst die Sünde.“ Diese gute Nachricht lässt uns ehrlich werden. Sie befreit uns vom Egoismus und gibt uns Kraft, im Segen miteinander unterwegs zu sein. Wenn Jesus die Mitte ist, muss keiner Angst haben, dass er zu kurz kommt. Alle können aus seiner Quelle trinken und sogar anderen davon weitergeben. Ein Stück Himmel? Ein Stück Hölle? In „Überlebensgeschichten für jeden Tag“ erzählt Axel Kühner die Anekdote „Himmel und Hölle gewinnen“2: „Ein Rabbi bat Gott einmal darum, den Himmel und die Hölle sehen zu dürfen. Gott erlaubte es ihm und gab ihm den Propheten Elia als Führer mit. Elia führte den Rabbi zuerst in einen großen Raum, in dessen Mitte auf einem Feuer ein Topf mit einem köstlichen Gericht stand. Rundum saßen Leute mit langen Löffeln und schöpften alle aus dem Topf. Aber die Leute sahen blass, mager und elend aus. Denn die Stiele ihrer Löffel waren viel zu lang, sodass sie das herrliche Essen nicht in den Mund bringen konnten. Als die Besucher wieder draußen waren, fragte der Rabbi den Propheten, welch ein seltsamer Ort das gewesen sei. Es war die Hölle. Daraufhin führte Elia den Rabbi in einen zweiten Raum, der genau aussah wie der erste. In der Mitte des Raumes brannte ein Feuer, und dort kochte ein köstliches Essen. Leute saßen ringsum mit langen Löffeln in der Hand. Aber sie waren alle gut genährt, gesund und glücklich. Sie versuchten nicht, sich selbst zu füttern, sondern benutzten die langen Löffel, um sich gegenseitig zu essen zu geben. Dieser Raum war der Himmel!“ Unser Zusammensein in Familie, Gemeinde, Verwandtschaft oder Freundeskreis kann ein Stück Himmel oder ein Stück Hölle auf Erden sein. Jeder kann dazu beitragen, miteinander „himmlisch“ unterwegs zu sein. Im Vertrauen auf Gott und die verändernde Kraft des Heiligen Geistes können wir Unversöhnlichkeit, Egoismus und Lieblosigkeit überwinden. Es entsteht ein Raum für Annahme, Rücksicht und Frieden. Dieser ist höher als unsere Vernunft und bewahrt unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus (Philipper 4,7). Wer so unterwegs ist, hat Gottes Zusagen auf seiner Seite: „Siehe, wie fein und lieblich ist’s, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen! Dort verheißt der Herr den Segen und Leben bis in Ewigkeit!“ (Psalm 133,1.3) Heute können wir im Miteinander einüben, was wir im Himmel ewig leben werden. Denn dort werden wir mit den Glaubensgeschwistern zusammen sein. Für sich allein ist der Himmel nicht zu haben. Die Frage ist, ob mein Ich und meine Vorstellungen dominieren oder Jesus. Ich komme nicht daran vorbei, mit Christus am Kreuz gestorben zu sein. 2 Axel Kühner, Überlebensgeschichten für jeden Tag, Aussaat- und Schriftenmissions-Verlag GmbH, Neukirchen-Vluyn 1991, S. 194. 1 Dietrich Bonhoeffer, Gemeinsames Leben, 20. Auflage, Chr. Kaiser Verlag München 1939, Seiten 19, 25, 95, 96. FOTO. ISTOCKPHOTO/MOLCHANOVDMITRY
RkJQdWJsaXNoZXIy Mzg4OTA=