22 LIEBENZELLER MISSION AKTUELL WEITERDENKEN >> SONDERBEITRAG ZUM THEMA VON DETLEF KRAUSE Luigis Zustand verschlechterte sich immer weiter. Die Ärzte gaben ihm keine Chance mehr; er landete auf der Palliativstation. Das schien das Ende zu sein. Eines Morgens wachte er auf, ihm war furchtbar übel. Er fing an, sich zu übergeben. Es dauerte Stunden, bis der Brechanfall aufhörte. Was in den darauffolgenden Wochen passierte, war für die Ärzte unfassbar. Alle Tumore in Luigis Körper lösten sich auf, sodass er schließlich geheilt entlassen wurde. Luigi ist heute Mitte fünfzig und arbeitet zu 50 Prozent als Pastor in einer italienischen Gemeinde. Wenn Gott (k)ein Wunder wirkt Die Diagnose „Krebs im fortgeschrittenen Stadium“ war für den 19-jährigen Luigi eine niederschmetternde Nachricht. Sieben große Operationen musste er über sich ergehen lassen. Da einer der Tumore dicht am Herzen saß, erhielt er einen künstlichen Herzbeutel. Es folgten viele Einheiten Chemotherapie. Bisher hatte er mit Gott nichts im Sinn, aber eines Nachts schrie er zu Gott und bettelte ihn um Hilfe an. Und wenn kein Wunder geschieht? Luigis Lebensgeschichte berührte mich und machte mir Mut, Gott auch in medizinisch aussichtslosen Fällen zu vertrauen. Ich wollte von ihm das Unmögliche erbitten und erwarten. Das war nicht einfach, denn ich erlebte im Laufe meines Lebens öfter, dass gute Freunde oder Bekannte durch eine unheilbare Erkrankung hinweggerafft wurden. Wir waren von der Diagnose geschockt, hofften und beteten. Wir bettelten Gott um ein Wunder an. Über Wochen und Monate ging es auf und ab. Manchmal schien es, als ob die Krankheit besiegt wäre. Dann brach sie mit Vehemenz wieder aus und schließlich starb unser Freund oder Bekannter. Wenn man diese Erfahrung mehrfach gemacht hat, rechnet man nicht mehr ganz so euphorisch mit Wundern. Wie gehen wir mit dieser offensichtlichen Spannung um? Einerseits erfahren wir immer wieder Wunder. Eine Krankheit wird geheilt, Hilfe kommt zur richtigen Zeit, ein Unfall wird vermieden und vieles mehr. Wir sind erleichtert und dankbar. Andererseits erleben wir, dass ein uns nahestehender Mensch durch ein langes Leiden gehen muss und stirbt. Dass die erhoffte Hilfe ausbleibt. Dass der schlimme Unfall mit all seinen Folgen doch passiert. Wie ordnen wir Wunder ein? Was meinen wir eigentlich, wenn wir von Wundern reden? Eine Definition lautet: „Ein Wunder ist ein außergewöhnliches, den Naturgesetzen oder aller Erfahrung widersprechendes und deshalb der unmittelbaren Einwirkung einer göttlichen Macht oder übernatürlichen Kräften zugeschriebenes Geschehen, Ereignis, das Staunen erregt.“1 Dieses Verständnis teilen die meisten unserer Zeitgenossen. Wir unterscheiden zwischen normalen, nachvollziehbaren, das heißt natürlichen und erklärbaren Ereignissen und „Wundern“, die in der Regel mit dem Eingreifen einer höheren Macht zu tun haben. Der alte Kirchenvater Augustinus widersprach dieser Trennung zwi1 Duden.de, 1.9.2019.
RkJQdWJsaXNoZXIy Mzg4OTA=